"Was ist denn Hip-Hop? Wisst ihr das?" Mit diesen Worten eröffnete Sajad Temurian, bekannt als Makhloot, am 24. November seinen Besuch an der Angell Akademie. "Ein Tanz, eine Musikrichtung", antworteten die Schüler*innen. In den folgenden Stunden begeisterte der afghanische Hip-Hop-Künstler, Tänzer und Aktivist Schüler*innen aus drei Klassen – einer 8., einer 9. und einer 11. Klasse – mit seiner Geschichte, seinen Moves und seiner Botschaft, dass Hip-Hop viel mehr ist als Tanzen – Hip-Hop ist ein Lifestyle!
Temurian zeigte nicht nur beeindruckende Tanzeinlagen, sondern forderte auch die Schüler*innen auf, selbst aktiv zu werden. Er ging auf sie zu, stellte Fragen und erfuhr, dass einige bereits mit Hip-Hop in Berührung gekommen waren. Mutig traten sie gemeinsam mit ihm vor die anderen und tanzten mit.
Auch die Lehrer*innen Lena Wallenfang, Juri Szymczak und Oliver Niemand ließen sich von der Energie anstecken und machten begeistert mit. Dabei wurde schnell klar: Dieser Tanz ist eine echte Sportart, die nicht nur Rhythmusgefühl, sondern auch eine starke körperliche Kondition erfordert.
Von Kabul nach Spanien: Die bewegende Geschichte eines Hip-Hop-Künstlers
Sajad Temurian ist mehr als nur ein Tänzer – er ist ein Kämpfer für die Kunst. In seiner Heimat Afghanistan war er eine der bekanntesten Stimmen des Hip-Hop. Als Anführer der Superiors Crew organisierte er Konzerte, Wettbewerbe und Tanz-Events. Besonders am Herzen lag ihm die Förderung junger Talente – darunter auch die erste afghanische Breakdancerin, die als Teil des Flüchtlingsteams an den Olympischen Spielen 2024 in Paris teilnahm.
Doch die Freiheit, die Temurian und seine Crew lebten, war nicht selbstverständlich. Der Künstler unterstützte westliche Journalist*innen als Übersetzer und wagte sich mit ihnen in Taliban-Gebiete, um über die Zustände im Land zu berichten. Als die Taliban 2021 erneut die Macht übernahmen, verschärfte sich die Lage dramatisch: Kunst wurde verboten, Musiker*innen verfolgt. Dann kam die Warnung – eine Bombe explodierte in unmittelbarer Nähe seines Probenraums. Für Temurian war klar: Er musste fliehen.
Doch er verließ Afghanistan nicht allein. Mit einer Gruppe von rund 20 Menschen – darunter Kinder, Frauen und Männer, die aufgrund ihrer Verbindung zur westlichen Kultur bedroht waren – machte er sich auf den gefährlichen Weg über die Berge nach Pakistan. Viele hätten diese Flucht für unmöglich gehalten, doch Temurian schaffte es, die Gruppe in Sicherheit zu bringen. Ihr gemeinsames „Verbrechen“: Sie hatten Musik gemacht, getanzt und zwei regimekritische Songs veröffentlicht.
Ein neuer Anfang in Europa
Heute lebt Temurian in Spanien. Dort setzt er seine musikalische Arbeit fort, kombiniert afghanische Rhythmen mit modernen Hip-Hop-Beats und rappt auf Dari, Farsi – und vielleicht bald auch auf Spanisch. Mit seinen Texten erzählt er nicht nur von seinem eigenen Schicksal, sondern auch von den Hoffnungen und Ängsten einer ganzen Generation junger Afghan*innen, denen die Kunst genommen wurde.
„Mein Künstlername Makhloot bedeutet ‚vermischt‘ – und genau das bin ich. Ich mische Kulturen, Sprachen, Menschen. Musik verbindet uns, egal woher wir kommen“, sagt er. Temurians Besuch an der Angell Akademie hat den Schüler*innen gezeigt, dass Hip-Hop weit mehr ist als ein Tanzstil – es ist Ausdruck von Widerstand, Freiheit und Identität. Und er hat eine Botschaft hinterlassen, die bleibt: Kunst kann unterdrückt werden, aber niemals verstummen.